Wiener Wohnen Podcast
Ein Podcast für alle Menschen, die den Gemeindebau und den Sozialen Wohnbau in Wien lieben und näher kennenlernen möchten. Geschichten vom und aus dem Leben im Gemeindebau.
Wiener Wohnen Podcast
#1: Die Schriftstellerin Stefanie Sargnagel
Die Schriftstellerin Stefanie Sargnagel hat den Großteil der Handlung ihres neuen Romans "Dicht" im Gemeindebau in der Michaelerstraße 30 angesiedelt. Wir haben sie zum Interview vor Ort im 18. Bezirk getroffen und sind mit ihr auf Spurensuche gegangen.
Geschichten, Erlebnisse und Skurriles. Das Leben im Gemeindebau. Der Wiener Wohnen-Podcast. Mit Markus Egger.
Speaker 2:Wir befinden uns da im 18. Bezirk in der Michaelastraße 30 vorm Gemeindebau. Ich stehe hier mit Stefanie Sargnagel. Hallo?
Speaker:Hallo, Servus.
Speaker 2:Du hast ja gerade einen Roman geschrieben oder ist schon ein bisschen länger her, der heißt Dicht und spielt auch zum Großteil hier in einer Wohnung. Magst du noch ein bisschen was darüber erzählen?
Speaker:Ja, also ich bin halt hier im 18. zur Schule gegangen und der Bezirk ist ja eigentlich so ein bisschen verschlafen, eher beschaulich, bürgerlich und so. Und es gibt jetzt nicht so richtig viele alternative Lokale. Und da um die Ecke gab es halt so ein Lokal, das war so ein bisschen ein Säuferbeisel, aber gleichzeitig durfte man kiffen. Und deswegen wurde es dann so ein Treffpunkt für die Gymnasiasten aus den umliegenden Schulen. Und da habe ich dann eben einen Typen kennengelernt, Michi, der war so 20 Jahre älter als wir und so ein Alkoholiker und ein ziemlicher Kautz, der sehr sprachbegabt war und so recht auch literarisch bewandert eigentlich. Und der hat uns dann mal in seine Wohnung hier mitgenommen, in diesem Gemeindebau. Und innerhalb von ein paar Wochen wurde diese Wohnung dann plötzlich ein Treffpunkt für alle Jugendlichen, also für viele Jugendliche im Bezirk. Also da sind wir dann halt jeden Tag nach der Schule hingegangen und in dieser Wohnung rumgesessen. Und da durften wir auch zum Beispiel kommen, wenn er nicht da war, da mussten wir hier über den Zaun.
Speaker 2:Ja, genau das wollte ich gerade sagen, wieder gekommen bis hast du gerade auf den Zaun geschaut. Vielleicht gehen wir da mal hin. Ich meine, man sitzt zwar nicht, aber.
Speaker:Ich hab auch nicht so ganz.
Speaker 2:Also wir stehen da vor einem Zaun und ihr seid jetzt da früher immer drüber geklettert, um in die Wohnung von Michi zu kommen.
Speaker:Ja, also Michi war halt manchmal nicht da, aber es war okay, trotzdem reinzugehen, meinte er. Und dann ist man halt, dann hat er halt immer das Fenster offen gelassen und dann konnte man hier über einen Zaun klettern und dann über eine Mülltonne ins Fenster von der Gemeindebauwohnung rein. Das hat natürlich den Nachbarn nicht so getaugt, der hat die Wohnung dann auch irgendwann mal verloren, aber nach einigen Jahren erst. Genau, und da sind halt Leute immer so rein spaziert. Genau. Aber ich kann es jetzt auch nicht so, also ich kann mich jetzt auch nicht so erinnern. Ich weiß, es war über diesen Zaunmel, über den kommt man, ich war nie sehr sportlich und da bin ich gut rüber gekommen, aber das verstehe ich nicht, was dann da war.
Speaker 2:Also da geht man quasi über das eine Grundstück und dann ist man im Garten und dann kann man über den anderen drüber.
Speaker:Ja, das kann ich mich jetzt nicht so erinnern, vielleicht war dieser Zaun nicht da oder so. Vielleicht kann man dann eh rundherum, das weiß ich jetzt nicht.
Speaker 2:Wir gehen dann eh später in den Innenhof noch. Meine Frage ist noch, wo hast du die Michi kennengelernt? Oder hat der Michi wirklich Michi geheißen in echt? Oder ist das real oder erfunden? Also schon das dein Gemeindepausch.
Speaker:Ja, ja, ja. Also ich habe viele Namen geändert und viele Personen ein bisschen verfremdet, vor allem die, die halt auch noch leben oder wo ich das Gefühl habe, die halt vielleicht einen Job haben, wo sie nicht so gern wollen, dass man diese Geschichten kennt. Bei mich hatte ich da keine Bedenken, deswegen habe ich seinen echten Namen genommen. Ja, weil das auch irgendwie wichtig war, weil auch so mich ist Wohnung unser Treffpunkt.
Speaker 2:Da gibt es ja glaube ich auch noch eine WhatsApp-Gruppe mit den Fahren.
Speaker:Genau, genau, es ist ja noch ein stabiler Freundeskreis auch. Und eben dieser Michi war auch sehr bekannt in den umliegen Bezirken, also so, weil er halt, der hat halt nicht viel gemacht, er hat in den Tag hineingelebt und halt eigentlich geschnort und gefladert. So ist er irgendwie über die Runden gekommen. Und halt wusste schon auch, das habe ich im Buchstab gar nicht so geschrieben, aber da sind wir auch jetzt erst im Gespräch drauf gekommen, dass der schon sehr zuverlässig war mit so Sozialsystemsachen. Da kannte er sich schon sehr gut aus und er hat eigentlich ganz gut Kohle bekommen, eigentlich angeblich. Ja, zum Beispiel eben, da habe ich jetzt auch, das ist im Buch geschrieben, Pepino, da wusste ich gar nicht, dass das gegenüber war. Also das war so ein Schneider, der mochte den Michi zum Beispiel, bei dem hat er manchmal 5 Euro bekommen. Also es gab immer Leute, die ihn nicht so mochten, die da auf die Nerven ging und es gab Leute, die den lustig fanden und sich eigentlich auch gefreut haben, wenn er bei ihnen vorbeigeschaut hat.
Speaker 2:Wie viel Zeit hast du, glaubst du, hier im Gemeindebau verbraucht in deinem Leben circa?
Speaker:Ja, das kann ich jetzt nicht so rechnen, aber ich schätze mal, es waren glaube ich zwei intensive Jahre. Es war einfach ungefähr, also mit 16, 17 haben wir nämlich kennengelernt, angefangen in seine Wohnung zu gehen. Und irgendwann hatten wir dann halt eigene Wohnungen und die Wohnung wurde auch aufgelöst. Also vielleicht waren es ein, zwei Jahre, aber schon so quasi jeden Nachmittag eigentlich. So gut wie jeden.
Speaker 2:Sollen wir dann einmal reinschauen ins Gebäude? Kommen da Erinnerungen hoch, wenn du da jetzt so gehst?
Speaker:Ja sicher, das war halt so ein täglicher Weg einfach. Also das Lokal, wo wir ihn kennengelernt haben, ist ja auch ums Eck. Das ist jetzt halt ganz anders alles.
Speaker 2:Wie hat das geheißt?
Speaker:Ja, im Buch heißt es Jos und ich will eigentlich den richtigen Namen nicht sagen, weil ich nicht genau weiß, was man da so erzählen kann und was nicht eigentlich.
Speaker 2:Okay, dann schauen wir mal in den Gemeindebau rein. Wir öffnen jetzt die Tür. Oder auch nicht. Schon?
Speaker:Scheiße, aber ich weiß es alles gar nicht, was er genau ist. Welche Wohnungen haben wir denn jetzt ganz schnell?
Speaker 2:Also wir sind da jetzt im Erdgeschoss.
Speaker:Ja, es waren entweder eins oder zwei.
Speaker 2:Also schon direkt da mit Sonnen ist die Sache.
Speaker:Aber ja, das wollen wir wahrscheinlich das, weil es muss. Ah ja, es war halt Erdbeetzung.
Speaker 2:Okay, jetzt sind wir da im Innenhof.
Speaker:Genau, das Fenster war es.
Speaker 2:Im Buch hast du beschrieben, die Wohnung war, glaube ich, relativ klein oder ist wahrscheinlich immer noch relativ klein, so 30 Quadratmeter.
Speaker:Ja, genau, es war ein Zimmer und eine Küchennische und ein Bad. Also die zwei Fenster sollten das sein. Und da ist man größere Mülltonnen, glaube ich. Ich war nie gut im Klettern, deswegen habe ich immer eine Mülltonne davor geschoben. Und so ein Foto machen wir vorhin.
Speaker 2:Das heißt, irgendwas hast du doch im Buch geschrieben, irgendwann hat er mich hier die Wohnung verloren. Wann war das circa? In welchem Jahr, weißt du das noch?
Speaker:Ja, ich glaube so wie wir 18 waren, da müsste ich jetzt rechnen. Aber.
Speaker 2:18 Jahre wahrscheinlich so. Oder nein, 16?
Speaker:Ja, jetzt bin ich 34, genau.
Speaker 2:Du warst 16 Jahre gar nicht mehr hier. Oder dazwischen schon nochmal?
Speaker:Nein, war ich nicht mehr hier. Nein. Genau, aber ich meine, ja, es ist halt auch nur, wenn eine Wohnung halt nicht mehr existiert, ist es jetzt ja auch nicht mehr so spannend.
Speaker 2:Weil wir vorher geredet haben, beim Reingehen, es gibt noch diese WhatsApp-Gruppe, du hast noch Kontakt zu vielen oder zu ein paar Leuten, die da mit dir, mit mich in der Wohnung waren, die auch in dem Buch vorkommen. Ist das so, das heißt, die Leute kennt man dann seit seit fast 20 Jahren oder länger. Sind das dann auch Menschen, die man öfter sieht?
Speaker:Ja, das sind eigentlich Leute, die ich noch häufig treffe. Also deswegen fand ich die Zeit auch so prägend, weil viele schließen Freundschaft nur als Jugendliche und dann lernen sie wieder andere Leute kennen oder ziehen halt in die Stadt oder so. Und ich habe aber diese Zeit wirklich auch so empfunden, da treffe ich die Leute, die wirklich total auf meiner Wellenlänge liegen. Deswegen haben diese Freundschaft noch gehalten. Und deswegen fand ich den Michi halt dadurch auch so prägend, weil das alles sich rund um den abgespielt hat. Und der ist unser Punkt, warum wir uns überhaupt kennengelernt haben. Und deswegen hatte ich auch, glaube ich, also nicht nur deshalb auch, weil das ein spezieller Charakter war, aber wollte ich den porträtieren, weil das halt irgendwie wie so eine eigene kleine Subkultur war. Und das sind immer noch sehr gute Freunde von mir, mit denen ich noch oft was mache.
Speaker 2:Ist der Michi dann der eigentlich heimliche Protagonist des Buchs?
Speaker:Ja, würde ich schon sagen. Also das war auch meine Hauptmotivation, das Buch zu schreiben. Also ich finde meine Jugendzeit schon ganz witzig, aber jetzt nicht so außergewöhnlich, dass ich jetzt darüber berichtet hätte, weil das kennen wohl viele in dieser Zeit, dass sie da so herumstrawanzen und ein bisschen in den Tang in einem Leben. Aber ich fand diese Wohnung so speziell. Weil das ist eben so eine Mischung aus diesen Gymnasiasten eben und gleichzeitig diesem Michi, der halt 40 war and nur getrunken hat, der immer wieder auf die Psychiatrie auch gekommen ist, und dann aus der Psychiatrie immer neue Freunde mitgebracht haben, die halt die Wohnung verwüstet haben oder Psychosen bekommen haben. Und deshalb waren wir sehr geschult darin schon, wie man halt mit psychisch Kranken zum Beispiel umgeht oder so oder Situationen deeskaliert.
Speaker 2:Wir sind du und die Sarah, eine Schulkollegin von dir, oder auch noch andere?
Speaker:Ja, andere, also die heißen im Buch Samuel und Constitu. Und ich habe auch ja, es waren ja viele, viele junge Leute, die dann mal wieder gekommen sind. Und viele habe ich ja, weil man kann in einem Buch, das ist ja das, wo es dann auch fiktional wird, man kann in einem Buch jetzt nicht protokollieren, was genau passiert ist, weil das ist nicht übersichtlich für einen Leser. Ich musste auch ständig Leute auch mal wegstreichen oder ich habe Leute geremixt, dass ich so drei Leute auf eine Person versucht habe runterzubrechen, die Leute, die halt irgendwas verändern oder eine neue Stimmung ins Buch bringen. Das war tatsächlich dann auch so, dass da manche beleidigt waren, dass sie nicht vorkam, dem musste ich das dann erklären, dass das halt jetzt nicht eine, nicht irgendwie heißt, dass die mir nichts bedeuten, sondern dass das halt einfach nicht geht in einer Erzählung, weil keiner kennt sich aus. Und ich hatte ja auch eine Lektorin, die immer wieder geschrieben hat, sie kennen sich nicht mehr aus und man muss jede Person einführen und dann auch erklären, wo die bleibt und so.
Speaker 2:Ich habe in einem Interview gelesen, dass durch die Leute, also die Menschen, die mit dir da waren, die auch im Buch vorkommen gefragt hast, aufgrund der Namen, sie können sich die Namen dann selber aussuchen und wie war das?
Speaker:Ja, also manche haben eben so ein bisschen absurde Namen gewählt, das habe ich dann eh nicht. Ich habe halt versucht, Namen zu wählen, die halt trotzdem, weil Namen sagen ja auch immer viel aus über das Milieu, über die Herkunft. Es wäre jetzt eine, die zum Beispiel ja Hannah heißt, plötzlich Branker heißen will, das geht halt nicht, weil im 18. waren wir nicht so, war unser Freundeskreis nicht so migrantisch gemixt. Es waren einfach Hannah und Veronikas und sowas.
Speaker 2:Du woher auch gesagt, dass der 18. ist ja eher ein bürgerlicher Bezirk und deine Schule war ja auch eher bürgerlich. Du warst dann dazwischen in einer anderen Schule, bist du da zurückgekommen. Und war das dann für dich da auch so ein Ventil aus dem Bürgerlichen auszubrechen hier im Gemeindebau?
Speaker:Ja, rauszubrechen ist halt auch so ein Klischeeding. Ich meine, jeder, der halt irgendwie alternativer drauf ist, sucht sich halt die Leute, mit denen er das teilen kann. Es war tatsächlich in meiner Schule besonders konservativ. Ist mir halt erst im Nachhinein bewusst geworden, dass es durchaus auch in den Umgebungsschulen gab, die einfach liberaler waren, wo die Lehrer gechillter waren, wo nicht alles so veraltet war. Tatsächlich auch Freunde von mir, die jetzt in dieser Schule arbeiten als Lehrer mittlerweile, sagen, sie erkennen die Schule voll wieder, weil die einfach wirklich sehr spießig war. Da gab es durchaus chilligere Schulen, wo ich zum Beispiel auch glaube ich wahrscheinlich gar nicht so angeeckt wäre eigentlich. Weil so arg war ich ja gar nicht. Aber alle anderen waren halt so brav, dass es dann aufgefallen ist.
Speaker 2:Dort noch ein Mieter mit seinem Hund heraus und geht wieder. Was war für dich das prägendste Erlebnis? Ich meine, es wird ja im Buch genau beschrieben, das können wir jetzt nicht natürlich das ganze Buch nacherzählen, aber kannst du dich noch erinnern, wie, also wir können jetzt nicht reingehen, aber wie die Wohnung ausgesehen hat, ein bisschen wenn man reinkommt.
Speaker:Ja, also es war, man kam so rein, dann war halt rechts ein Klo und ein Bad, das hatte halt keine Türe. Das weiß ich immer noch, weil das halt immer so stressig war, so ich muss aufs Klo, aber ich will halt nicht, dass jetzt jemand reinkommt irgendwie. Dann gab es halt einen Raum, da waren halt ein paar Couches und ein Bett und dann war halt so eine, hier ist dann so eine Nische, wo halt so eine Küche war. Genau, und ja, es war schon irgendwie ranzig, wir haben alle viel gechickt, aber es war nicht wirklich grindig. Also es war nicht so das Essensreste rumlagen. Also der Michi war schon so, der war schon wahnsinnig ein ordentlicher Mensch, er war halt ein bisschen versandelt und da stand halt überall Bier rum, aber es war jetzt nicht richtig grauslich. Es war eher. Also ich habe auch gemerkt, am Anfang haben wir Jugendliche uns wahnsinnig gehen lassen dort und irgendwann hat Ernst dann schon so ein bisschen diszipliniert, hey, er wohnt da schon auch und wir müssen Aschenbecher verwenden und so geht das nicht.
Speaker 2:Er hat dann einen Mitbewohner gehabt, der hat dann aufgeräumt.
Speaker:Ja, genau, das hat ja auch nicht Zeit, aber es gab immer wieder Figuren, die sich da eingezeigt haben eine Weile und wir haben ja auch öfter übernachtet und so, genau.
Speaker 2:Du wohnst ja selber auch in einem Gemeindebau, in der Ringstraße des Proletariats da am Gürtel. Kann man das vergleichen, den Gemeindebau hier mit deinem Gemeindebau?
Speaker:Also dieser Gemeindebau, also ich wusste ja gar nicht mehr, das ist mir auch durch die Recherche sozusagen gewusst geworden, dass das ein Gemeindebau war, mich ist Wohnung. Weil das jetzt nicht so meine Gemeindebau, das ist ja wirklich in so einer Gemeindebau in so einer Gemeindebauergegend. Das merkt man halt auch an, welche Menschen dort wohnen, was sie wählen und so weiter. Und es sind halt diese fetten, fast Burgen irgendwie. Also die haben schon, die sind schon irgendwie anders als der, der jetzt um mitten unter normalen Mietshäusern ist. Ja.
Speaker 2:Du hast ja unlängst, also unlängst im September hast du mal, glaube ich, auf Facebook gepostet, du liebst Gemeindebauten und du lebst gerne in einem Gemeindebau, aber am liebsten würdest du im Götterhof wohnen, weil da wohnt man an der fucking Donau und Kaiser Mühlenplus hat dort gespielt und Freunde wären neidisch, dass die würden auch gerne in einem Gemeindebau wohnen. Ist das immer noch so? Ja, wahrscheinlich.
Speaker:Also ich weiß eben noch, wie ich in einen Gemeindebau gezogen bin dann mit 18, weil meine Mutter halt irgendwie diesem Sozialbereich hat das halt ein bisschen gecheckt, dass das gescheit ist, wenn man sich mit 16 anmeldet. Und in meinem Umfeld hat das sonst niemand gemacht. Und ich hatte dann halt eine günstige Wohnung und niemand, der ich kannte in der Zeit, den ich kannte, hatte auch eine. Und damals waren aber auch die Mitpreise noch viel günstiger. Also da haben die Leute gleich viel gezahlt wie ich. Und dann Jahre später, jetzt wo die Mitpreise so gestiegen sind, merke ich halt so, dass Leute, jetzt wo es schwieriger ist, eine zu bekommen, je älter man wird auch, da gibt es ja dann andere Auflagen auch, beneiden sie Leute einem schon darum, dass sie das, ja, dass sie das nicht auch gemacht haben. Genau. Und ich spiele ja selber oft mit dem Klischee von der Gemeindebau ist so arg und ich bin so ein Ghetto-Kind und weil das dann auch wieder ein bisschen so redigieren, weil es ist ja nicht so, dass Gemeindebauen sind ja wirklich schön, schöne Wohnungen, schön hergerichtet. Sie sind jetzt nicht irgendwie voll arg in jedem Gemeindebau.
Speaker 2:Ich glaube, war das dein erstes Buch, korrigier mich, wenn es nicht stimmt, dass beim Stefan Redelstein herausgekommen ist mit dem Callcenter. Da schreibst du ja auch am Anfang, vor meinem Gemeindebautür stehen die Obdachlosen aufgepumpt mit ihren Kampfhunden und sie gehen nicht von der Tür weg und wollen vielleicht, dass ich auch so werde. Das war noch ein anderer Zugang.
Speaker:Ja, ja, irgendwie habe ich schon anderes Schmäß gemacht, weil ich auch andere, in einer anderen Position war, so ein bisschen das eigene Elend verarschen irgendwie. Und ich habe vielleicht noch mehr Klischee-Witze gemacht, die ich jetzt mit einer größeren Reichweite nicht so gern so machen würde.
Speaker 2:Ist es dann für dich witzig, wenn du das liest oder denkst du, heute würde ich das anders schreiben? Oder ist es halt eine Entwicklung, die man durchmacht als Autorin?
Speaker:Ich finde es okay, weil da habe ich generell ging es halt so um Witze über Depressionen und Elend und irgendwie passt das schon so, finde ich. Also ich finde, es hat sich einfach meine Position irgendwie geändert. Also ich finde es schon auch lustig, aber ich fände es jetzt nicht. Ja, mein Publikum hat sich geändert, meine Position und deswegen funktionieren manche Schmieds, finde ich, einfach nicht mehr so gut.
Speaker 2:Das Buch Dicht ist ja jetzt, du hast schon wirklich ein Bestseller. Also beim Talier hast du ausverkauft, glaube ich, auf Platz 2 oder wahrscheinlich in mehreren Buchhandlungen. Hättest du damit gerechnet, dass es ja der erste Roman jetzt und nicht mehr so Statusmeldungen oder kürzere Sachen? War das für dich überraschend, dass das so ein Erfolg ist? Oder hast du gesagt, ekelhaar, wenn ich einen Roman schreibe, Bestseller?
Speaker:Nein, also besser ist ja auch immer so schwierig, das war jetzt in einer Woche mal und in Österreich und so. Aber ich habe schon damit gerechnet, dass es sich besser verkauft als die anderen Bücher, weil ich das Gefühl habe, sogar Leute, die halt meine Sachen mögen, kaufen jetzt nicht so mich meine Bücher, weil ich eh sehr viel Gratiskontent online mache. Und ich war mir schon sicher, dass viele Leute neugierig sein werden auf das Buch und dass es auch Leute kaufen werden, zum Beispiel nur um es verreißen zu können irgendwie. Also mich würde das auch interessieren dann bei dem anderen. Aber ja, dass so gut läuft, hätte ich mir jetzt nicht gedacht, bin schon positiv überrascht. Also habe mich schon gefreut, dass die umeinander gereicht hat.
Speaker 2:Wir sind von Wiener Wohnen, wir machen hier ein Interview. Wir machen hier ein Interview, wir sind von Wiener Wohnen. Wollen Sie meinen Ausweis sehen? Ich kann Ihnen meinen Ausweis zeigen.
Speaker:Ja, was wollen Sie es von da, Herr Lingen, von uns?
Speaker 2:Die Frau Sagnagel ist eine Autorin, die hat ein Buch geschrieben und der Gemeindebau war Schauplatz auch vom Buch.
unknown:Aha.
Speaker 2:Warten Sie, mein Ausweis. Wollen Sie ihn sehen oder nicht? Nein. Okay, weiter geht's. Das schneiden wir nicht raus, das ist sehr gut. Ja, wo waren wir gerade, bevor wir bevor die Mieter gekommen sind?
Speaker:Äh, Bestseller.
Speaker 2:Bestseller, genau. Ich glaube, du hast ja auch länger gebraucht, als der Verlag das eigentlich, oder kriegt man da vom Verlag Auflagen, das sagt dann, oder die Lektoren sagen, okay, das muss jetzt fertig sein in einem Jahr.
Speaker:Ja, wir haben eigentlich zwei Jahre ausgemacht, aber ich habe dann ein Jahr länger gebraucht, was aber auch daran lag, dass ich einfach zu viele andere Sachen zugesagt habe, weil es natürlich immer schwierig ist, wenn gerade so ein gewiss künstlerischer Erfolg da ist, sagt man jetzt irgendwie, gut, bezahlte Angebote nicht einfach ab. Aber das muss man halt, wenn man ein Buch schreiben muss. Und das habe ich dann nicht geschafft und dann habe ich ein Jahr wirklich freischaufeln können. Und dann ging es besser. Genau. Und wie gesagt, also ich bin immer sehr pessimistisch, aber habe eben das Gefühl, ob Bestzähler oder nicht, ich habe das Gefühl, die Leute checken die Geschichte und checken die Figuren und checken die Stimmung und so. Und das ist irgendwie cool.
Speaker 2:Ich bin ja ein bisschen älter als du, aber ein paar Lokale, wie so, wo ich selber war, früher so wie Pandora's Box oder Gipsy Bear. Und da denken sie, okay, ja, die gibt's. Also da wird man dann selber auf seine Jugend auch wieder erinnert, wieder wie das früher war. Und das ist irgendwie schon cool, wenn man die Orte kennt. Also jetzt neben diesem Gemeindebau hier, welche Orte waren für dich, für das Buch am prägendsten?
Speaker:Der Votivpark oder ein bisschen, was du ja im Votivpark auch oder im Kaffee Stadtbahn waren wir viel, dann in so verschiedenen Aufstelllokalen halt in der Umgebung, dann gab es hier ein Lokal, eben das ich jetzt namentlich nicht zu erwähnen mag, weil ich nicht so genau weiß, inwiefern die dann schon reinbekommen. Dann der Türkenschutzpark, das Flex natürlich.
Speaker 2:Vom Flex hast du immer Bier verkauft, hat Michi dir gesagt, dass man das machen kann. Und da beschreibst du ja auch, wie du einmal, ich glaube, irgendwo vom McDonalds oder so Eiswürfel holst und dann ringern die ganzen Eiswürfeln runter. Das sind schon Episoden, die sich so zugetragen haben oder tragt man da auch ein bisschen auf?
Speaker:Nein, also das sind zum Beispiel, also ich muss sagen, natürlich ist viel Fiktion dabei. Zum Beispiel habe ich manche Sachen aus meiner Perspektive erzählt, die zum Beispiel Freunden passiert sind, Dinge aus mich ist Wohnung. Aber das ist schon, also Bier verkaufen war lange Zeit, das habe ich wirklich gemacht. Und das mit den Eiswürfeln war auch, also da kann ich mich noch gut erinnern. Und immer diese Schlepperei, die mir eigentlich irgendwie gedaugt hat. Und es war wirklich gutes Geld. Aber es war tatsächlich so, die Leute waren urlieb zu mir, wie ich so jünger war und haben mir das Bier abgekauft. Und sobald ich dann so Mitte 20 wurde, haben die Leute immer unfreundlicher reagiert, wenn ich ihm Bier verkaufen wollte, dass mir dann keinen Spaß mehr gemacht hat.
Speaker 2:Woran glaubst du liegt das, weil das dann mehr Leute Bier verkauft haben am Donaukanal oder weil man dann einfach älter wirkt?
Speaker:Ja, ich glaube, ich habe schon wirklich was gemerkt mit dem Älterwerden. Also ich glaube, es haben schon auch mehr verkauft ein bisschen, aber es war auch nicht nur vom Flex, ich habe sie auch an anderen Orten gemacht. Aber es ist glaube ich schon so ein bisschen, es ist wie Schickschnoren. Da habe ich auch das Gefühl, ich habe so mit 17, 16, 18, wenn du wohl einen Schick schnurst, kriegst du schnell mal einen, wenn du irgendwie älter bist, sind die Leute gleich so, ja hey, du kannst selber Chicken, hackeln gehen, was weiß ich. Also man hat diesen Jugendbonus nicht mehr ganz so stark.
Speaker 2:Was glaubst du, hätte der Michi zu deinem Buch gesagt, wenn er es gelesen hätte?
Speaker:Also deine bis 2014 gelebt, da hat sich ja schon ein bisschen eine Aufmerksamkeit auf meine Texte eingestellt. Also ich glaube, dem hätte es taugt auf jeden Fall. Also ich hätte es auch lustig gefunden, ihn überhaupt auf Veranstaltungen mitzunehmen und so, weil der eigentlich eben ganz lustig immer mit Leuten geredet hat und so ein bisschen auch lustig vor den Kopf gestoßen hat. Und gerade bei so Kulturveranstaltungen wäre er sich ein lustiger Gast gewesen mit seinen Ausführungen.
Speaker 2:Und im Hintergrund Georg Reisler wahrscheinlich, oder?
Speaker:Genau.
Speaker 2:Okay, gibt es Lesungen in nächster Zeit? Also darf man ja nicht, ne? Gibt es wahrscheinlich.
Speaker:Nein. Also genau im Rahmenhof wäre jetzt endlich eine Buchpräsentation geplant gewesen, aber es geht natürlich wieder nicht.
Speaker 2:Das heißt, das wird auf Dezember verschoben wahrscheinlich, oder?
Speaker:Ich muss auch sagen, ich bin ja nicht so scharf auf Lesungen, weil natürlich ein Prosatext zu lesen was anderes ist als kurze humoristische Text zu lesen. Ich hatte schon ein paar Lesungen und es ist schon was anderes. Also das andere ist eher fast schon wie so ein kabarettistisches Programm, das jetzt ist wirklich fast wie eine klassische Lesung.
Speaker 2:Wenn man nicht so schnell die Pointer setzen kann oder.
Speaker:Ja, genau, wenn man länger bei der Sache bleiben muss. Ich muss dazu sagen, die alten Texte, da habe ich auch, da erzähle ich schon sehr viel dazu. Das ist wie so ein Cabaret-Programm, das ich schon kann. Jetzt kommt natürlich was Neues, immer am Anfang so. Aber es braucht bei einer Prosalesung, finde ich, schon entweder ein Gespräch dazu, um das Ganze ein bisschen aufzulockern. Oder eben Musik. Und wenn ich wieder Lesungen machen will, dann will ich so gern mit Musik und vielleicht so Georg Kaisler-Cover-Cover-Sachen.
Speaker 2:Du hast ja eh ein Stück mit Vodo Jürgens auch gemacht im Rabenhof. Ah ja. Also ich glaube, du warst nicht dabei, aber er, also du hast es geschrieben mit ihm gemeinsam. Wird es so etwas ähnliches wieder geben? Oder im Moment nicht?
Speaker:Also dieses Stück, da gab es ja noch Spieltermine im Frühjahr, die abgesagt wurden, wer weiß, vielleicht wird dieses Stück wieder gemacht. Dann habe ich ja dieses über das Oktoberfest gemacht, wo Euroteuro die Musik macht in München. Das ist eigentlich auch gut gelaufen, bevor der Lockdown kam. Also diese Sachen, aber momentan plane ich eigentlich nichts Theatermäßiges. Ich will eigentlich eher ein bisschen wieder so frei irgendwelche Sachen machen, nicht nur so auf Auftrag.
Speaker 2:Und der Verlag wird ja wahrscheinlich gesagt haben, das Buch ist so erfolgreich. Nächstes Buch. Gibt es da schon Pläne?
Speaker:Noch nicht, also da sind sie gerade schon ein bisschen dran, aber ich tue das gerade alles so ein bisschen rausschieben, weil ich noch überlegen muss, wie es weitergeht, weil ich ja, weil ich hatte jetzt drei Jahre lang so immer sowas im Hinterkopf, scheiße, ich muss das erledigen, ich muss ein fucking Buch schreiben und nein und nein, wo man eigentlich nie so richtig entspannt ist, weil man zu wenig macht und irgendwie hätte ich das gerne mal ein Jahr nicht. Deswegen verschiebe ich das vielleicht noch.
Speaker 2:Das heißt, du bist jetzt auch sehr froh, dass das fertig ist und ist es dann auch so, dass man sagt, okay, ich sehe jetzt ein Bledervergleich, aber ich sage trotzdem, das ist mein Baby und das ist fertig und hinaus in die Welt.
Speaker:Ja, genau. Also ich finde es sehr oft wie eine Geburt, weil es ist so, man freut sich so und plötzlich ist es schön und man denkt, man vergisst so die ganzen Schmerzen, die man eigentlich hatte. Und während man die Schmerzen sagt, sag ich mir nur, nie wieder, das mache ich nie wieder. Das dachte ich mir sehr oft beim Arbeitsprozess, nie wieder sage ich einen Buchvertrag zu. Und jetzt denke ich mir plötzlich, ja, ist eigentlich eh ganz gut gelaufen, naja, vielleicht mache ich gleich noch eins und so. Da ist der Geburtsvergleich vielleicht ganz gut okay. Aber sonst glaube ich eher wie halt, wenn man eine Diplomarbeit schreibt oder sowas, halt ein langes Schreibprojekt, wo man lang dran sitzt und sich lang auch quält manchmal.
Speaker 2:Und wie war das bei dir beim Schreiben? Du warst ja auch viel unterwegs, schreibst du dann in Hotelzimmern oder bei dir im Gemeindebau? Oder hast du da wirklich sagen müssen, okay, ich stehe jetzt auf in der Früh und schreibe von sieben bis neun durchgehend oder wartet man, bis dann die Musik küsst oder wie kann man sich das vorstellen?
Speaker:Nein, also sonst ist es halt schon so, da kann ich schreiben, wenn mir was einfällt und dann trage ich die Texte halt zusammen, aber da musste ich halt schon dranbleiben und auch mal dranbleiben, wenn halt nichts weitergeht, damit man zumindest was hat, was man dann überarbeiten kann. Und ich brauchte schon voll die Struktur. Also ich kann das gar nicht und deswegen musste ich auch, ich dachte immer, es geht ja auch auf Tour, kann ich auch ein bisschen was schreiben, aber das ging überhaupt nicht. Auch wenn man ein paar Stunden Zeit hat, für mich funktioniert das nicht. Und deswegen habe ich eben die Zeit gebraucht, wo ich auch wirklich meine Arbeitsroutine hatte. Die war immer so um 8-9 aufstehen, ins Weihinger radeln, ein bisschen schreiben, ein bisschen in die Lugner City spazieren gehen, wieder ein bisschen schreiben und dann ausgehen. Aber nicht zu arg ausgehen, damit man am nächsten Tag wieder schreiben kann. Genau, und deswegen war das ein bisschen ein Problem, als ich dann der Lockdown kam, weil ich keinen Kaffee aus mehr hatte und dann habe ich ihm so ein Atelier gemietet. Also ich muss schon wohin fahren, wo es kein Internet gibt, damit ich einfach effizient bin, sonst scheißt man halt nur Zeit die ganze Zeit.
Speaker 2:Das heißt, da wird das Handy abgedreht oder gar nicht mitgenommen dann zum Schreiben, wenn du ins Atelier fährst.
Speaker:Ja, also ich habe dann irgendwann angefangen, das Handy auch wirklich daheim zu lassen. Handy ist halt nicht ganz so problematisch wie Internet am Laptop, aber lenkt auch irrsinnig ab. Und tatsächlich, man prokrastiniert ja auch ohne Internet, aber es ist trotzdem ein anderes Prokrastinieren. Ich habe dann zum Beispiel Bücher mitgenommen und dazwischen immer wieder Bücher gelesen. Und das ist aber viel angenehmer, weil man nicht so überreizt ist. Also Internet ist ja gleich so Reizüberflutung und tausend Kommunikationskanäle. Und ein Buch kurz lesen ist irgendwie auch eine Ablenkung, aber irgendwie eine, wo man besser trotzdem im Arbeitsprozess bleibt und irgendwie trotzdem, es ist auch eine fokussiertere Sache als eben Internet.
Speaker 2:Cool, dann sage ich vielen lieben Dank für das Gespräch. Wir sind ja hier im Gemeindebau im 18. in der Michaela Straße 30 im Innenhof. Noch ein letzter Blick zu Michis Wohnung. Gibt es noch eine kurze Anekdote vielleicht, die nicht im Buch ist?
Speaker:Nicht im Buch. Es gibt einige Dinge, die ich im Buch, die mir im Nachhinein aufgefallen haben, die ich vergessen habe, aber jetzt so spontan zu Michis Wohnung. Die ganzen scharfen Erinnerungen, die habe ich eigentlich verarbeitet. Also könnte ich jetzt nicht so sagen.
Speaker 2:Das heißt einfach das Buch kaufen und nachlesen. Vielen lieben Dank fürs Gespräch, Stefanie Sargnagel.
Speaker 1:Danke auch. Geschichten, Erlebnisse und Skurriles. Das Leben im Gemeindebau. Der Wiener Wohnen Podcast Podcast. Mit Markus Elger.